Erotische Bademoden
Uelzens Straßen füllen sich wieder mit Erotischem. Denn es ist Frühling. Die Hosen weichen - bei Mädchen und Frauen - zunehmend Luftigerem. Die martialischen Lederjacken weichen - bei Jungen und Männer - zunehmend Lustigerem. Denn es ist Frühling. Ich machte jetzt folgende nachösterlich frühlingshaften Beobachtungen am Strand. Am Strand vom Hallenbad. Schon mein Großvater staunte, mit wie wenig Stoff der Mensch zur Bedeckung seiner Blöße auskommen kann. Ich bewundere gegenwärtig die Mode-Designer und Schöpfer dieser Bademoden-Saison, weil die Textilien für weibliche Oberkörper genau an der Größe der Brustknospen orientiert scheinen. Sozusagen nur Heftpflaster-Größe nehmen diese Nachfolger derjenigen Tanga-Oberteilchen ein, die uns vor Jahren schon ganze Atemzüge raubten. Entsprechend sind bei den Unterteilen die Orientierungen Schambein der Renner. Der frühere Begriff „Höschen" wäre in jeder Hinsicht überproportioniert bzw. vom Größenwahn diktiert. Bei uns Männern findet die Bewusstheit und Orientierung aus schließlich unten bzw. nach unter bzw. von unten aus statt. Die Mode-Maße männlicher Badekleidung unterschreiten sämtliche mir bekannten Textilfächer männlicher Unterleibs-Moden in unseren Breiten. Und auch die unserer Geschlechtsgenossen aus den hitzegetränkten zentralafrikanischen oder brasilianischen oder neuseeländischen Stämmen wirken wie ganze Unterkleider gegen die Nachfolger der Bermudas. Hieß es früher noch: Weniger ist mehr so heißt es heute: Das Ganze ist erst am Rande des Nichts zu erleben. Unsere Bademode hat sozusagen philosophisches Niveau erreicht. Dies alles fiel mir wieder ein, als ich gestern in Rostock-Warnemünde im ebenso winzigen wie handverlesen-erlesenen Heimatmuseum vor der Geschichte der dortigen Badeordnungen stand und las. Und seit gestern begriff ich den steten Lauf der (Bademoden-) Geschichte. Es läuft derzeit alles wieder auf den Nacktstrand von 1738 hinaus: „Badehemden, Beinkleider und Kleider mindern den Nutzen des Badens im Bad und führen zu Verkältungen...." (sagte und schrieb der Badearzt in Warnemünde). Und danach werden wir Deutschen als Extrembegabte und Extremsüchtige wieder in das Gegenteil kippen und alle diese Vollbekleidung und Totalbedeckungen favorisieren. Wie sie der berüchtigte Zwickelerlass des Preußischen Innenministers hervorrief: „Frauen dürfen öffentlich nur baden, wenn ihre Vorderseite vollständig bedeckt ist. (1932). Genießen wir einen der letzten wirklich schönen Sommer. Wo wir einfach noch alles sehen und genießen können. Bevor wir uns alle wieder alles zudecken.
25. April 1995